Depression – welche Behandlungsoptionen gibt es?
Shownotes
Etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Depression. Im Laufe des Lebens erkrankt jeder Fünfte bis Sechste mindestens einmal daran. Viele erkranken erst im Alter oder im Zusammenhang mit einer lebensbedrohlichen Krankheit. Immer sind die Ursachen höchst individuell und komplex, sodass es nicht die einzig richtige Therapie für jede und jeden gibt. Bei manchen tritt die Depression in Episoden auf, bei anderen kommt sie immer wieder.
Über mögliche Formen und Verläufe einer Depression spricht Moderator Martin Eulitz mit Dr. med. Claudia Ritter-Rupp, niedergelassene Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, sowie zweite stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Auch eine ehemals von Depression Betroffene kommt zu Wort: Christine Robl hat einen langen Leidens- und Genesungsweg hinter sich und leitet heute eine Selbsthilfegruppe in Kitzingen.
Unterstützung bei der Suche nach einem Psychotherapieplatz https://www.kvb.de/patienten/psychotherapeutische-versorgung
Finden geeigneter Selbsthilfegruppen https://www.seko-bayern.de/
Aufklärung, Information, Netzwerk und Hilfsangebote zum Thema Depression https://www.muenchen-depression.de/
Wer aktuell Unterstützung benötigt kann sich an die Telefonseelsorge mit der Nummer 0800 1110111 wenden. Die Telefonseelsorge bietet auch ein Online-Angebot unter https://www.telefonseelsorge.de/
Hilfe bei psychischen Krisen erhalten Sie auch beim Krisendienst Bayern: https://www.krisendienste.bayern/
Hören Sie auch gerne in unsere Folge 3 der Gesundheitsarena „Wann brauche ich eine Psychotherapie?“ rein: https://gesundheitsarena.podigee.io/3-uberblickpsychotherapie
Transkript anzeigen
00:00:00: Willkommen in der Gesundheitsarena, dem Podcast der KV Bayerns.
00:00:05: Bei uns dreht sich alles um die ambulante medizinische Versorgung der Menschen im Freistaat
00:00:11: und wie wir sie verbessern können.
00:00:14: Dazu diskutieren wir mit Expertinnen und Experten zu vielen spannenden Themen aus dem Gesundheitswesen.
00:00:21: Unser Thema heute Depressionen.
00:00:24: Und ich habe dazu kürzlich einen sehr interessanten Artikel im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung gelesen.
00:00:29: Titel "Depressiv lass gut sein".
00:00:32: In dem Artikel geht es vor allem darum, dass durch den in heutigen Krisenzeiten sehr stark gebrauchten Begriff "depressiv"
00:00:39: die ernste Diagnose sprachlich entwertet wird.
00:00:42: Der Autor des SZ-Artikels schreibt auch, es ist längst nicht alles gesagt zum Thema Depression, aber leider oft das Falsche.
00:00:51: Dass wir heute das Richtige zu dieser Thematik sagen, dafür birgt unser Studiogast.
00:00:56: Ganz herzlich willkommen Frau Dr. Claudia Ritter-Rupp, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
00:01:03: und zugleich zweite stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVB.
00:01:08: Herzlich willkommen Ihnen.
00:01:09: Hallo Herr Eulitz, freut mich, dass ich heute wieder bei Ihnen sein darf.
00:01:13: Ja, liebe Frau Ritter-Rupp, wir wollen mal anfangen mit einer kurzen Vorstellung von Ihnen.
00:01:18: Und das macht man am besten über zwei ganz kurze Fragen.
00:01:21: Wenn Sie nicht Ärztin geworden wären,
00:01:25: was hätten Sie dann gemacht?
00:01:27: Also erstmal habe ich alles dafür getan, um Ärztin werden zu können.
00:01:32: Wenn ich es dann aber doch nicht hätte werden können, dann wäre die Alternative wäre für mich gewesen Jura zu studieren.
00:01:40: Und ich hatte so die Vorstellung dann als Strafrechtlerin zu arbeiten und mich für Gerechtigkeit einzusetzen.
00:01:47: Sind Sie traurig, dass es so nicht gekommen ist?
00:01:49: Nein, überhaupt nicht.
00:01:51: Eine zweite Frage, wenn Sie nicht in Ihrer Praxis oder auch hier in der Kassenärztlichen Vereinigung Ihren Aufgaben nachgehen, was tun Sie denn dann?
00:01:59: Dann erhole ich mich, versuche so Depressionen vorzubeugen.
00:02:04: Also Natur ist etwas, was mir sehr viel gibt und mir sehr viel bedeutet.
00:02:09: Bewegung bedeutet mir viel.
00:02:11: Also oft gehe ich joggen im Wald oder an den Seen mit meinem Hund zusammen und da finde ich am allerbesten innere Ruhe.
00:02:20: Haben Sie hoffentlich auch jetzt die nötige innere Ruhe, dass wir über das Thema Depressionen sprechen können?
00:02:26: Denn ich glaube, Sie stimmen dem Auto des SZ-Artikels zu.
00:02:29: Es gibt da sehr viele Abstufungen, der Begriff Depression wird ja geradezu inflationär verwendet.
00:02:35: Wenn Menschen sagen, das Wetter macht mich ganz depressiv, können Sie mal für die Hörer so ein bisschen einordnen, was eine Depression eigentlich ist.
00:02:44: Ja, dieses Wort suggeriert eigentlich als wäre es ein einheitlicher Begriff in Wirklichkeit umfasst es ein weites Feld von psychischen Zuständen.
00:02:56: Also ich fange mal an mit den ganz leichten depressiven Verstimmungen.
00:03:02: Die gehören eigentlich in den Bereich der Normalität.
00:03:05: Man ist einfach mal schlecht drauf.
00:03:07: Das vergeht in der Regel nach ein paar Tagen wieder.
00:03:10: Dann gibt es die sogenannte reaktive Depression.
00:03:13: Das ist eine Reaktion auf ein Verlust eines lieb gewordenen Menschen oder auf eine Kränkung hin.
00:03:21: Es gibt auch die sogenannte Erschöpfung der Depressionen.
00:03:24: Wenn einfach lange anhaltende Überlastung dazu führt, dass man zusammenbricht oder wirklich depressiv wird.
00:03:31: Dann gibt es heute auch häufig zu finden, narzistische Depressionen.
00:03:37: Die narzistische Depression ist eine Form der Depression, die ganz eng mit entweder mit einer narzistischen Persönlichkeitsstörung oder narzistischen Zügen zusammenhängt.
00:03:48: Also es geht um eine Störung des Selbstwertgefühls, gerade in der heutigen Zeit sehr verbreitet.
00:03:55: Ja, man fühlt sich wertlos.
00:03:57: Man hat seinen eigenen hohen Perfektionsansprüchen nicht genügend, nicht gerecht.
00:04:03: Und man ist vielleicht auch zu selbstkritisch mit sich.
00:04:07: Dann gibt es schwerere Formen von depressiven Zuständen.
00:04:11: Das ist einmal, vielleicht auch die Wochenbettdepression wird auch oft nicht erkannt, spielt auch wirklich eine große Rolle.
00:04:19: Dann gibt es aus dem psychiatrischen Bereich die bipolarische Störung.
00:04:23: Da wechseln sich manische Phasen mit depressiven Phasen ab.
00:04:27: Das ist wirklich ein schwerwiegendes Krankheitsbild.
00:04:30: Dann gibt es Depressionen im Rahmen von Psychosen.
00:04:33: Und dann gibt es die schwere Depression, wir erzten in das Major Depression.
00:04:39: Das ist wirklich eine schwerwiegende Form und da braucht es auch in der Regel Medikamente.
00:04:45: Und wir wollen uns genau dieser schwerwiegenderen Form der Depression heute auch in dieser Folge der Gesundheitsarena widmen.
00:04:53: Ich habe dazu die Gelegenheit gehabt, mit Christine Robl zu sprechen.
00:04:57: Sie ist eine ehemalige Depressionspatientin, die inzwischen hoch engagiert,
00:05:02: eine Selbsthilfegruppe in Sachen Depressionen im unterfränkischen Kitzingen leitet.
00:05:07: Und Frau Robl hat mir erzählt, was für sie damals die ersten Symptome und Warnzeichen waren.
00:05:13: Ich habe nicht mehr lesen können, ich habe mich nicht mehr freuen können, ich habe nicht mehr geschmeckt.
00:05:18: Ich habe Salz gebraucht in Unmengen.
00:05:21: Ich habe mich wirklich nicht mehr fühlen können und ich habe immer gedacht, ich muss mich zusammennehmen, nimm dich zusammen.
00:05:29: Und ich habe unheimliche Hochleistung vollbracht, weil sich heute schauspielerischer Natur.
00:05:36: Es war immer noch anstrengender, diese Fahre von dem Funktionieren in der Arbeit aufrecht zu erhalten.
00:05:42: Ich war aber schon sehr, sehr dünn heute dann irgendwann und auch nicht mehr von der Leistung her so kraftvoll.
00:05:49: Und wenn ich dahin war, ich bin um halb acht in Sitzen eingeschlafen, täglich.
00:05:54: Um dann um drei, halb vier morgens, zack, wieder wie angeknipst, wach zu sein.
00:05:59: Gedankenschleifen, Grübeln, das war so das Anstrengende in dieser Zeit.
00:06:05: Ich denke, das ist ein relativ typischer Verlauf.
00:06:08: Sind das auch die Themen, mit denen Ihre Patienten zu Ihnen kommen?
00:06:12: Zum Teil ja.
00:06:14: Also die Gründe, warum Patienten dann tatsächlich in die Psychotherapie kommen oder auch in die Hausarztpraxis gehen, sind vielfältig.
00:06:24: Manche spüren es tatsächlich eher körperlich durch Zusammenbrüche oder Rückenschmerzen oder Herzprobleme oder Kopfschmerzen.
00:06:34: Also da ist es auch die Aufgabe der somatischen Mediziner wirklich drauf zu schauen und diese Beschwerden auch zu verstehen
00:06:42: und zu erkennen, dass da auch psychische Ursachen mit eine Rolle spielen.
00:06:47: Aber es gibt auch Patienten, die kommen direkt mit ihren Stimmungen und mit ihren Gefühlen.
00:06:53: Manchmal auch geschickt durch ihren Partner oder Freund, der dann einfach sagt, du musst was tun, so geht es nicht weiter.
00:07:02: Also die Wege sind vielfältig.
00:07:05: Frau Robl sprach, jetzt von einer Farce vom Funktionieren gerade.
00:07:09: Ist es so, dass diese schnelle Wegezeit die Krisen, all das, was wir so haben, dass die Entwicklung von Depressionen begünstigt?
00:07:16: Auf jeden Fall.
00:07:17: Also ich glaube, dass gerade die Stimmung im Land mit diesen ganzen wirtschaftlichen Ängsten, die wir Deutschen vielleicht nochmal ganz besonders wahrnehmen,
00:07:27: spielen sicherlich eine Rolle, auch vielleicht auch noch die Erschöpfung und die Ängste, die man in der Corona-Pandemie haben oder hatten.
00:07:36: Dann die Leistungsgesellschaft spielt eine große Rolle, das Thema Einsamkeit spielt eine Rolle.
00:07:42: Also es gibt vielfältige Auslöser auch.
00:07:46: Ein anderes Thema ist das Thema Resilienz.
00:07:49: Also es gibt auch Stimmen, die sagen heutzutage halten die Menschen gar nichts mehr aus.
00:07:55: Es fehlt ihnen die psychische Widerstandsfähigkeit.
00:07:59: Also wir haben sowohl mit Menschen zu tun, die sich viel zu viel zu muten und viel zu wenig spüren, was mit ihnen los ist und wie sehr sie vielleicht auch an ihren Grenzen sind oder überfordert sind.
00:08:11: Aber es gibt auch Menschen, die sehr schnell sich depressiv fühlen und keine Lösungsmöglichkeiten mehr für sich selbst sehen.
00:08:20: Wann ist denn aus ihrer Sicht der richtige Punkt gekommen, um sich professionelle Hilfe zu suchen?
00:08:26: Es hängt ein bisschen von der Persönlichkeit aber ich glaube tatsächlich, wenn man dauerhaft oder länger die Beobachtung macht, mir geht es nicht gut und ich schaffe es aus eigenen Kräften nicht mehr.
00:08:37: Manche Menschen merken, dass wenn sie im Urlaub sind oder wenn die Sonne scheint, wenn schöne Dinge passieren und sie merken, ich kann mich gar nicht mehr freuen und es hebt überhaupt nicht mehr meine Stimmung.
00:08:48: Dann ist natürlich schon ein halt fortgeschritten.
00:08:51: Aber ich glaube, wenn man so eine längere Zeit merkt, ich finde da nicht heraus, dann ist es glaube ich gut, mal sich Hilfe zu suchen oder zumindest mal vielleicht auch einen Psychotherapeutin aufzusuchen oder den Hausarzt das mitzuteilen und zu schauen, ob es wirklich ernst zu nehmen ist oder dass es vielleicht von außen doch noch anders eingeschätzt wird.
00:09:16: Frau Robl hat selber zu lange gewartet. Sie hat immer sehr auf das körperliche damals geachtet und es irgendwann an ihrem Arbeitsplatz zusammengebrochen.
00:09:25: Wurde vom Notarzt in die Klinik gebracht und dort erst in eine innere medizinische Station gebracht und von dort aus weiter in eine psychosomatische Abteilung überwiesen und was sie dort Eingangs erlebt hat, das hören wir jetzt.
00:09:39: Das war der Urknall, die habe ich erstmal ankommen lassen.
00:09:42: Ich habe gefühlt in drei Tagen. Ich habe überhaupt nicht verstanden.
00:09:46: Ich war ja noch in meinem Arbeitsmodus und habe gesagt, was geht denn das?
00:09:50: Dann macht man schneller, schneller, schneller.
00:09:52: Ich habe hier ein Geschäft und dann haben die erst mal gefragt und dann gab es die, da musste ich einen Lebenslauf schreiben.
00:10:00: Da war das so zuhause.
00:10:01: Ich habe mich an was ich mich erinnere, meine erste Erinnerung und früher und wer war denn da so an meiner Seite Oma, Opa, Tanten oder Erlebnisse, die mich an dich mich erinnern in der Schule?
00:10:11: Leider was sollte das? Ich habe es gar nicht verstanden.
00:10:14: Und dann ein schreiben musste ich auch vor, bei Weinen das weiß ich auch noch.
00:10:19: Und dann musste ich Lebenslauf abgeben, also durfte ich, musste ich.
00:10:23: Und dann haben die mich einsondiert, erst mal und haben ich gesagt, ich würde ihnen anbieten.
00:10:29: Diese Art von Therapie, Einzeltherapie, Gruppentherapie, Schiekung, Entspannung, das gabs bei mir gar nicht.
00:10:39: Und die Musiktherapie war auch eine sehr schöne Sache.
00:10:43: Da habe ich meine erste Erfahrung mit dem Klangbett gemacht und einfach mal spüren können, wie gut es tut zu entspannen.
00:10:49: Und dann die Kunsttherapie, das war dann so malen.
00:10:52: Dagegen hatte ich mich am Anfang am meisten gewährt, weil ich der Meinung war, das ist auch ausgesprochen.
00:10:57: Wir sind doch hier nicht im Kindergarten, ich werde jetzt noch Bilder malen hier.
00:11:01: Ich habe es gesagt.
00:11:03: Und das war dann genau das, was mir am meisten gut getan hat.
00:11:07: Frau Ritter-Rupp, wie wichtig ist es denn dann, aus dem Alltag auszusteigen und sich auch solchen, sagen wir mal, Herausforderungen zu stellen,
00:11:15: wie eben dem Malen und dem Singen?
00:11:17: Also der Aufenthalt in der psychosomatischen Klinik.
00:11:20: Also erstmal spricht es für die Klinik, dass die sofort erkannt haben, es ist kein Herzinfarkt,
00:11:24: sondern es steckt etwas Psychosomatisches dahinter.
00:11:27: Der Aufenthalt in der psychosomatischen Klinik bietet einem einfach einen geschützten Raum,
00:11:33: in dem man mal aus allen Alltagsbelastungen und vielleicht auch konfliktbehafteten Themen herausgenommen wird,
00:11:40: in einem geschützten Rahmen wirklich auch sich, ich sage mal, in so eine Art Selbstreflektion hinein zu begeben
00:11:48: und viel achtsamer mit sich zu werden.
00:11:50: Und dann lösen sich vielleicht auch ein Stück die Abwehrmechanismen auf und man merkt erstmal, wie schlecht es einem ging
00:11:56: und hat auch die Möglichkeit da mal etwas in die Tiefe zu gehen und zu spüren, was sind die Ursachen,
00:12:04: vielleicht auch in meiner Biografie gewesen oder was sind sie aktuell.
00:12:08: Diese Übungen, die Frau Robl da besprochen hat, da ist das typisch, dass man dann ein Lebenslauf schreibt
00:12:14: und sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt.
00:12:17: Ich glaube, dass das Schreiben nochmal ein Nährbring dann seine Gefühle, also man versucht natürlich dann auch in einer Reihenfolge
00:12:25: und dadurch entgeht einem auch nichts, so der Aufmerksamkeit.
00:12:29: Und ich glaube, durch das Schreiben schafft man nochmal besseren Zugang zu seinen Gefühlen tatsächlich.
00:12:35: Und dann gibt es natürlich auch noch eine andere Ebene, das sind die Medikamente.
00:12:40: Wie sehen Sie denn die Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung bei der Depression?
00:12:45: Also es gibt erst einer Patienten, die unsätzlich keine Medikamente für sich haben wollen,
00:12:51: wie das Verweigern, selbst wenn sie es vielleicht bräuchten.
00:12:54: Wir wissen auch, dass nicht alle Medi- antidepressiva bei jedem Menschen auch wirken.
00:13:01: Es gibt so eine lockere Formel, ein Drittel wirkt gut, ein Drittel wirkt gar nicht und ein Drittel wirkt so lala.
00:13:08: Also nicht bei jeder Depression wirken die Medikamente in der Tat, je schwerer die Depression ist,
00:13:14: desto besser wirkt es.
00:13:16: Es gibt auch unterschiedliche Antidepressiva, da muss man dann das Richtige auch wirklich noch herausfinden.
00:13:21: Das ist auch nicht ganz trivial.
00:13:24: Wichtig ist natürlich parallel zu medikamentösen Behandlungen, auf jeden Fall eine Psychotherapie,
00:13:31: dass man auch wirklich seine Muster lernt, zu verändern, um nicht immer wieder in dieselben Zustände zu geraten.
00:13:38: Denn das Ziel ist ja auch...
00:13:40: die Medikamente auf Dauer dann wieder vielleicht auch langsam absetzen zu können und auszuprobieren,
00:13:45: ob man dann nicht wieder auch ohne Medikamente rauskommt.
00:13:48: Was wären denn so Faktoren, die den Erfolg einer Behandlung positiv beeinflussen können?
00:13:54: Also erst mal ein, ich sag mal, ein gesundes Umfeld, ein unterstützendes Umfeld, dann auch
00:14:02: die Bereitschaft selber an sich zu arbeiten.
00:14:05: In der Psychotherapie geht es ja auch um Entwicklungsprozesse.
00:14:09: Entwicklung kann auch viel Spaß machen.
00:14:11: Also bedeutet nicht nur, ich erkenne jetzt all meine Abgründe und das geht mir dann immer schlechter,
00:14:16: sondern auf das Gegenteil unter therapeutischer Unterstützung einfach auch neues auszuprobieren,
00:14:23: sich über seine vielleicht auch pathologischen Muster klarzuwerten, die schneller zu erkennen,
00:14:29: um sie dann auch aufzulösen.
00:14:31: Vielleicht auch manche Ereignisse oder Erlebnisse auch abzutrauern.
00:14:36: Sicher jetzt auch bei Patienten der Fall gewesen, wie sie geschildert hat.
00:14:40: Man hört ja oft, wenn man zum Arzt geht, geht mit der Erwartungshaltung hin, der Arzt sagt mir dann,
00:14:45: wann ich wieder voll gesund werde.
00:14:47: Ist das bei der Depression auch ein Parameter wieder voll gesund zu werden?
00:14:51: Oder geht es da eher darum, sich zu arrangieren mit dem, wie es ist?
00:14:57: Ich bin gerade so ein bisschen dabei, dieses Vollgesundsein.
00:15:00: Also vielleicht ist es ja auch eine Fiktion.
00:15:02: Also ich glaube, dass die Übergänge zwischen krank und gesund sind ja fließend.
00:15:09: Und ich glaube auch Krisen gehören zu jedem Leben dazu.
00:15:13: Und es geht eher darum, wie bewältige ich die möglichst schnell und was lerne ich vielleicht auch daraus.
00:15:19: Insofern ist es immer so eine individuelle Situation,
00:15:26: dass man selber erkennen muss, was mit einem los ist.
00:15:30: Der Arzt kann einem da vielleicht Anhaltspunkte geben.
00:15:33: Aber ich glaube, es geht um ein viel tieferes Verständnis dessen, was bei mir los ist.
00:15:39: Und auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten, um dann auch vielleicht seine eigenen Gefährdungen besser zu erkennen.
00:15:47: Weil man löst in der Psychotherapie nicht alle Probleme einfach mal so auf.
00:15:51: Aber es hilft schon, wenn ich meine Gefährdungen kenne, wenn ich meine wunden Punkte kenne,
00:15:56: dann kann ich einfach Situationen auch besser händeln und mich auch aus diesen Zuständen vielleicht auch wieder rausarbeiten.
00:16:02: Ich möchte in dem Zusammenhang auch auf die Folge, die wir vor einigen Wochen produziert haben,
00:16:07: gemeinsam hinweisen, Wege in die Psychotherapie, die kann man auch nach wie vor hören.
00:16:12: Und ich denke, es lohnt sich auch, in den Show-Nodes sind auch verlinkt,
00:16:15: die verschiedenen Informationsangebote dazu, wo man Hilfe erhalten kann, in dem Fall einer psychischen Erkrankung, wie eben auch einer Depression.
00:16:26: Frau Robel selbst ist auch hochaktiv in ihrer Selbsthilfegruppe.
00:16:29: Ich war ganz beeindruckt, was sie dort für ein Engagement entfaltet.
00:16:33: Wie wichtig ist denn der Austausch mit anderen Betroffenen, wenn man unter Depressionen leidet?
00:16:40: Das ist unterschiedlich.
00:16:41: Für manche Menschen ist das eine große Hilfe, die mögen das sehr und es hilft ihnen sehr,
00:16:47: sich mit ähnlich Betroffenen auszutauschen und vielleicht auch von denen zu lernen.
00:16:52: Wir haben dies geschafft, dass es ihnen besser ging.
00:16:55: Manchen Leuten taugt das gar nicht.
00:16:57: Die sagen, da geht es mir nur noch schlechter, genauso wie es auch mit dem Thema Arbeit ist.
00:17:02: Es gibt Leute, für die ist Arbeit sinn- und identitätsstiftend, die brauchen das.
00:17:06: Es gibt ihnen Struktur und manche leiden unter ihrer Arbeit und sind überlastet und müssen da auch erst mal ein Stück
00:17:16: beim Abstand von der Arbeit bekommen, um sich wieder zu erholen und wieder in einen guten Zustand sich hochzuarbeiten.
00:17:24: Genau so, wie Sie das gerade jetzt zuletzt beschrieben haben, so erging es eben.
00:17:29: Frau Robel dann in der Klinik, da kam nämlich der Durchbruch nach einigen Wochen aufenthalt.
00:17:35: Es gab in der Klinik Woche 7 einen Donnerstag, wo ich auch wieder nachts um 4 Uhr wach wurde und wusste,
00:17:45: ich gehe nicht mehr zu meinem alten Arbeitsplatz.
00:17:48: Ich werde nicht mehr hingehen.
00:17:49: Koste es, was es wolle.
00:17:52: Und ich habe nicht gegustet, wie unwahrs, aber es war mir klar, ich darf dann nicht mehr hingehen.
00:17:56: Das war so ein Wahnsinnsmoment und das Gute an diesem Moment war, das war so klar, es war so richtig.
00:18:04: Da habe ich nicht mehr gezweifelt und es war mir burscht, ob ich meine nächste Miete zahlen kann.
00:18:08: Da sah ich gemerkt nach diesen 7 Wochen, das hat mich sehr ruhig stabilisiert da drin.
00:18:12: Sie haben jetzt beim Zuhören genickt, das war wahrscheinlich dann wirklich der Durchbruch.
00:18:17: Also das ist ja eine ganz berührende Schilderung einer wirklich tiefen Erkenntnis.
00:18:23: Und ich glaube, was hier ganz wichtig ist, sie war in dem Moment ganz klar entschlossen.
00:18:28: Ich gehe nicht mehr hin.
00:18:30: Und wir Menschen sind oft viel zu sehr in unseren Ambivalenzen gefangen.
00:18:35: Wir wollen immer die Lösung, die nur richtig ist.
00:18:37: Und oft gibt es keine Lösung, die nur richtig ist oder nur falsch ist.
00:18:41: Und dann reiben wir uns in den eigenen Ambivalenzen auf, haben Angst, was zu verändern.
00:18:46: Und ich glaube, ihr hat dieser beschützte Rahmen geholfen, diese Entscheidung für sich zu treffen und danach zu handeln.
00:18:57: Sie hatten vorher schon gesagt, Selbsthilfegruppen sind vielleicht nicht für jeden eine gute Lösung.
00:19:02: Wie sieht es denn aus mit den digitalen Gesundheitsanwendungen?
00:19:05: Das sind praktisch Apps, die man auf dem Handy hat, wo man gerade ja auch im Bereich der psychischen Gesundheit
00:19:11: einige Anwendungen theoretisch nutzen könnte.
00:19:15: Wie sehen Sie das?
00:19:15: Ist das was, was jeder versuchen sollte, könnte?
00:19:20: Also vielleicht habe ich das vorhin ein bisschen zu zurückhalten.
00:19:22: Für viele ist die Selbsthilfegruppe noch zusätzlich auch zu einer therapeutischen Unterstützung durchaus noch hilfreich und unterstützend oder auch langfristig.
00:19:32: Bei den digitalen Gesundheitsanwendungen ist es auch wieder so, dass das nicht für jeden eine Möglichkeit ist.
00:19:40: Häufig sind diese digitalen Gesundheitsanwendungen ja keine Psychotherapie, sondern wenden das eher Psychoeducation.
00:19:46: Für Menschen, die auf keinen Fall in Psychotherapie gehen wollen, ist es dann vielleicht eine gute Möglichkeit,
00:19:54: sich mit diesen Digas zu beschäftigen und langsam wieder in einen besseren Zustand zu kommen.
00:20:01: Es gibt auch Patienten, denen hilft es, inzwischen den Therapiesitzungen noch selber solche Aufgaben zu erledigen und dann so eine Diga durchzuarbeiten.
00:20:11: Das ist auch unterschiedlich.
00:20:13: Ich glaube, wir machen jetzt bei den digitalen Gesundheitsanwendungen auch erst mal so langsam Erfahrungen.
00:20:18: Es ist nicht für jeden Patienten, wir müssen noch ausfinden, welche Patienten profitieren vielleicht mehr oder weniger davon.
00:20:26: Also das ist sicher was, was sich erst auf Dauer entwickeln wird.
00:20:29: Und ich glaube, die Gefahr bei den digitalen Gesundheitsanwendungen ist, dass die Patienten das nach ein, zwei Mal wieder abbrechen und sagen,
00:20:39: finde nicht die Disziplin, das jetzt jeden Tag oder zwei Mal die Woche zu machen.
00:20:44: Und dann ist es natürlich eine sehr teure Maßnahme, muss man dazusagen.
00:20:48: Ist das auch der Grund, warum Sie hier persönlich schon seit Längerem sagen, der Goldstandard ist der Patient und Arzt und Psychotherapeut und nicht irgendeine digital oder sonstige Anwendung?
00:21:00: Die meisten Patienten bevorzugen auf jeden Fall das persönliche Gespräch auch in Präsenz.
00:21:07: Viele Patienten möchten auch keine Videotherapie machen, sondern möchten zu ihrem Psychotherapeut kommen und dann auch mit ihm ihre Probleme persönlich face to face besprechen und auch das Gefühl zu haben, verstanden zu werden, akzeptiert zu werden, angenommen zu werden.
00:21:26: Ich würde gerne nochmal ganz zum Anfang dieser Folge zurückkehren zu dem Artikel in der süddeutschen Zeitung, denn der Autor schreibt auch darüber, dass das Thema Depression ja auch von prominenten momentan sehr stark in die Öffentlichkeit getragen wird, die praktisch sich damit als stark darstellen, dass sie eine Depression durchgestanden haben.
00:21:47: Auf der anderen Seite gibt es ja die Scham zu sagen, ich habe eine psychische, nicht nach außen erkennbare Krankheit, die mich sehr beeinträchtigt und belastet, so wie es mir auch Frau Robe beschrieben hat.
00:21:58: Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?
00:22:02: Ich glaube, dass wir in der heutigen Zeit auch nochmal unterstützt durch die sozialen Medien, werden uns immer so Idealbilder vorgespielt und wir messen uns dann an diesen und fühlen uns dann ungenügend und insuffizient und das verstärkt natürlich oder hässlich und das verstärkt natürlich, ich sag mal, die depressiven Gefühle.
00:22:26: Finden Sie es denn gut, dass das Thema so in die Öffentlichkeit kommt, gerade jetzt über Prominente in die Öffentlichkeit getragen wird?
00:22:34: Ich glaube schon, dass es nutzt, sich schneller Hilfe zu suchen, sich nicht mehr zu schämen.
00:22:40: Also wir reden immer von Stigmatisierung und ich glaube, dass das tatsächlich jetzt in den letzten Jahren deutlich besser geworden ist.
00:22:48: Und gerade wenn persönlich, perprominente Persönlichkeiten darüber sprechen, dann ist vielleicht auch es leichter, sich selber das einzugestehen.
00:22:57: Es ist ja viele Menschen einfach das Problem, dass sie sich das selber nicht eingestehen wollen, geschweige denn dann sich wirklich Hilfe suchen.
00:23:05: Was Sie jetzt gerade gesagt haben, deckte sich auch genau mit dem, was mir Frau Robe erzählt hatte und zusätzlich hat sie auch noch einen Appell an alle anderen, die unter Depressionen leiden.
00:23:17: Schäm dich nicht, sag deinem Arzt, wie es dir geht.
00:23:21: Bringe ihm Beispiel, sag dem Arzt, dass es dir schwer fällt, aus dem Bett zu gehen und dir die Zähne zu putzen, obwohl du deine Mundhygiene immer wichtig gefunden hast.
00:23:31: Sag ihm, dass du den Müllatens rausbringst, damit dich keiner sieht, der dich dann fragt, wie geht es dir denn und dann nicht darüber reden muss.
00:23:39: Ich gare, so ein Schlüsselsatz hat mir meine Hausärztin gesagt, die habe ich gefragt.
00:23:44: Sags hat also die meisten sagen, ich weiß auch nicht, geht es irgendwie nicht gut.
00:23:50: Sag ihm Beispiele aus dem Alltag und es durch den guten Haus aus.
00:23:55: Der dich sieht in deinem Ganzen, der über Tellerrand drüberschadet und der vielleicht nachdem er eine Magenspiegelung und eine orthopädische Überweisung geschrieben hat, dann wirklich nach hat.
00:24:08: Das war jetzt Frau Robe, auch so eine selbstbewusste Haltung.
00:24:11: Man soll sich offen dem Arzt gegenüber öffnen und soll sich da auf einer Ebene praktisch sehen.
00:24:17: Wie ist denn das mit der Augenhöhe Arzt, Psychotherapeut und Patient?
00:24:22: Vielleicht hängt es auch ein bisschen von, wir haben ja unterschiedliche Psychotherapieverfahren, das auch ein bisschen davon ab.
00:24:27: Aber ich glaube, im Grunde genommen geht es ja schon auch darum, sich akzeptiert zu fühlen, sich respektiert zu fühlen und verstanden zu fühlen.
00:24:36: Und das schafft schon mal eine gewisse Augenhöhe.
00:24:39: Es bleibt natürlich die Verantwortung für den psychotherapeutischen Prozess bei dem Psychotherapeut oder dem Arzt.
00:24:47: Und insofern ist es natürlich nicht ganz auf Augenhöhe, aber ich sage jetzt mal von Mensch zu Mensch auf jeden Fall schon natürlich auf Augenhöhe.
00:24:56: Mit den Ratschlägen, das ist so ein bisschen, finde ich, immer etwas zurückhaltender, weil das hängt auch ein bisschen von der jeweiligen Persönlichkeit ab,
00:25:04: was für jeden Einzelnen vielleicht der beste Ratschlag ist.
00:25:09: Insofern, glaube ich, würde ich das jetzt nicht so ganz pauschal sagen, aber auf jeden Fall die Botschaft trau dich und unternimm was.
00:25:17: Würde ich jetzt auch noch mal gerne ergänzen, dass es meistens auch wirklich um sich zum Guten wendet und sich Unterstützung zu holen, auf jeden Fall lohnt.
00:25:28: Wollte Sie eigentlich noch nach Ratschlägen fragen, aber diese Frage werde ich jetzt nicht bringen,
00:25:32: sondern frage Sie dann zum Schluss das Thema Depressionen. Wie groß ist das?
00:25:39: Wie würden Sie das von der Bedeutung einschätzen? Ist das größer, als es früher war oder?
00:25:44: Also, wenn wir unsere Behandlungszahlen angucken, dann nimmt es enorm zu, auch bei Kindern und Jugendlichen.
00:25:51: Das ist wirklich enorm.
00:25:54: Und das muss uns schon auch innehalten lassen, dass wir auch die gesellschaftlichen Faktoren, die dazu beitragen, auch noch mal besser in den Fokus nehmen.
00:26:04: Also, es ist schon auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für Lebensbedingungen zu sorgen, die Depressionen unwahrscheinlicher machen.
00:26:14: Ich denke, das war eine ganz wichtige Aussage zum Schluss von Ihnen.
00:26:17: Und ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch, Frau Dr. Ritterut.
00:26:20: Ja, ich bedanke mich auch, Herr Orlitz.
00:26:23: Das war unsere Folge der Gesundheitsarena zum Thema Depressionen.
00:26:27: Und wenn Ihnen diese Folge gefallen hat oder Sie interessante Gesichtspunkte hier gehört haben,
00:26:33: dann geben Sie uns gerne eine Bewertung auf Apple Podcast, Spotify oder auch auf den anderen Plattformen.
00:26:39: Genauso freuen wir uns natürlich über Themenmünsche oder Anregungen an unsere E-Mail-Adresse podcast@kvb.de.
00:26:47: Und wir hören uns dann wieder in zwei Wochen, wenn wir über das Thema "Was erwartet sich die Ärzteschaft von der Politik vor der Bundestagswahl?" sprechen wir.
00:26:58: Das war die Gesundheitsarena, eine Produktion der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.
00:27:04: Moderation Martin Eulitz, Redaktion und Technik Sandra Greißel, Angela Kieser, Marion Munke, Florian Schaller.
00:27:14: Bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal!
Neuer Kommentar